Anfang April war das Wetter ein paar Tage wundervoll und ich plante schon eine Frühlingswanderung auf dem Heidschnuckenweg durch die Lüneburger Heide, als das Wetter doch wieder umschlug und ich mich kurzentschlossen entschied, den Elbuferhöhenweg von der Stadtgrenze Hamburg elbeaufwärts zu wandern. Ich hatte für den Tag 30.000 Schritte und 300 Höhenmeter/100 Stockwerke geplant. Als aus dem trüben Himmel auch noch Nieselregen tröpfelte störte mich dies verblüffender Weise relativ wenig.
Da der Wind fast eingeschlafen war konnte ich mit dem Regenschirm laufen. Was mich störte war, dass ich kaum „Stockwerke“ machen konnte. Ich suchte immer wieder nach Möglichkeiten höher zu kommen, aber da war nicht viel zu machen. Der Elbuferhöhenweg verläuft auf der Höhe, und die wenigen erzwungenen Ab- und Aufstiege brachten nicht viel. Ich bemühte mich und vergaß darüber oft die Landschaft zu genießen. Ich war mehr mit der „Verwaltung“ meines Weges als mit dem Weg beschäftigt.
Ich war geradezu auf Steigungen und Stufen fixiert. Meine Schrittzählerapp im iPhone zählt nur dann ein Stockwerk, wenn es mindestens 3 m und/oder 16 Stufen aufwärts geht. Alles was darunter liegt verfällt. Spannend war für mich, als mir bewusst wurde wieviel Energie mein Verhalten, die Suche nach aufwärtsführenden Stufen, mich kostete. Mir fiel auf, wieviel ich mir von der Freude des „Wanderns“ durch diese Verhaltensweise nahm.
Kurzentschlossen nahm ich bei der nächsten Gelegenheit die Treppenstufen nach unten. Ich stieg die Treppen bis auf den Elbwanderweg ab und lief einige hundert Meter elbabwärts, also zurück in die Richtung aus der ich gekommen war. Bei nächster Gelegenheit stieg ich wieder zu Elbuferhöhenweg auf. Während ich aufstieg fiel mir auf, dass dies mich gar nicht so viel Energie kostete wie befürchtet und dass der Aufstieg mir ganz neue Perspektiven bot. Jetzt im Frühjahr sind die Bäume noch ohne Blattgrün, und die Sicht wird nur durch die Äste beschränkt. Man sieht also meist bis zum Fluss und kann den Verkehr auf der Elbe immer gut beobachten.
Weil es regnete, waren nur ein paar Jogger und Hundebesitzer unterwegs. Ich erwähne dies, weil ich schon gelegentlich über mich lächeln musste, wenn ich Treppenstufen und Wege nahm, die hinunterführten, um bei nächster Gelegenheit wieder einen Weg nach oben zu suchen und mir der eine oder andere Weggenosse dann auf seinem vermeintlichen Rückweg wieder begegnete.
Ich bin an diesem Tag nicht ganz 30.000 Schritte gegangen, aber ich habe über 140 Stockwerke „gemacht“. Ich bin von der Landesgrenze nur bis Blankenese gelaufen und nicht wie geplant bis Teufelsbrück, d.h. ich bin nur ca. zwei Drittel der Strecke flussaufwärts gelaufen. Den Hang hinauf- und hinunterlaufen bringt eine Menge Schritte und noch mehr Stufen, aber in Richtung auf mein „Ziel Teufelsbrück“ kam ich nur langsam voran. Wenn ich mein Ergebnis anschaue, dann war mein Ziel an diesem Tag nicht „Teufelsbrück“ und auch nicht die 30.000 Schritte, sondern die 100 Stockwerke. Wie oft bewege ich mich auf ein Ziel hin und merke gar nicht, dass ich möglicherweise einen Zielkonflikt habe, der mich mein Ziel verfehlen, oder nur mit erhöhtem zusätzlichen Aufwand zu erfüllen lässt.
Für mich war der eigentliche „Aha-Effekt“ aber die Tatsache, dass ich durch das Auf- und Absteigen so viel mehr sehen und erleben konnte als durch das Verbleiben auf dem Höhenweg. Es kam mir vor, als wenn ich die Stufen abwärts gehend Eindrücke und Energie sammelte und diese auf dem Weg nach oben verarbeitete. Unwillkürlich musste ich an Segelflugzeuge denken, die auf der Suche nach einer neuen Thermik häufig im Abwärtsflug Schwung holen, um dann leichter wieder aufstiegen zu können.
Und dann kam mir das Bild der aufsteigenden Lebenskurve in den Sinn. Im Leben geht es, so empfinde ich es oft, auf- und abwärts. Die Frage ist: verläuft diese Sinuskurve gleichförmig horizontal oder aufsteigend. Ich hatte plötzlich das Gefühl, dass es klug war nicht immer weiter aufsteigen zu wollen, da dies so viel mehr Aufmerksamkeit kostete und aufgrund der Landschaft auch nicht wirklich erfolgreich sein konnte. Wenn ich aber für mich entschied, zwischenzeitlich auch abzusteigen, dann gewann ich dadurch. Es war, als holte ich mir neuen Schwung. 7 Tage die Woche durcharbeiten, kein Innehalten und Atemholen oder Verarbeiten der gewonnenen Eindrücke kam mir so ähnlich vor wie auch die letzten Stufen nach oben zu suchen und möglichst jeden Abstieg zu vermeiden. 5 Tage effektiv zu arbeiten und dann die Blickrichtung zu wechseln erschien mir auf einmal sinnvoller .
Herzenswünsche erreichen und dann genießen, um wieder Raum für einen neuen Einstieg, einen neuen Anstieg zu gewinnen, ist das Geheimnis der aufsteigenden Lebenskurve.
Die meisten Menschen erfahren ihr Leben in einem stetigen Auf- und Ab. Höhen und Tiefen wechseln sich ab. Die Lebenskurve pendelt zwischen den Höhen und Tiefen. Die aufsteigende Lebenskurve hat zum Ziel, dass die Höhen und Tiefen nicht mehr nur pendeln sondern im Laufe eines Lebens die Höhen immer ein wenig höher werden und der Abschwung nicht mehr als so tief empfunden wird.
*Die Aufsteigende Lebenskurve, im Anhang in „The Big Five for Life“, John P. Strelecky, Deutscher Taschenbuch Verlag, S. 240 f. oder als Hörbuch, gelesen von Tilo Maria Pfefferkorn hier geht es zum Shop
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© Tilo Maria Pfefferkorn
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