Einer meiner Big Five for Life ist es, auf Reisen mich und die Welt zu entdecken.

Und so bin ich seit über drei Monaten unterwegs, noch knapp 1 Monat liegt vor mir.  Ich habe sie genannt meine „Ich mach’s jetzt einfach – Weltreise“, denn ich habe mir selbst die Erlaubnis gegeben, den Wunsch genau jetzt umzusetzen. Aus einem “Ich würde ja so gerne“ wurde ein „Ich mach’s jetzt einfach.“

Der rote Faden meiner Reise ist es, Energie- und Kraftorte zu besuchen. Für mich gibt es fast nichts Schöneres, als die Energie der Natur aufzunehmen und mich davon inspirieren zu lassen. Meine Kathedrale ist eigentlich das Meer und so sitze ich auch jetzt am schönsten Schreibtisch der Welt: auf einer Bank mit Blick auf den Sonnenuntergang über den Ozean im Süden Australiens – fast kitschig schön.

Und doch ist einer der intensivsten Momente meiner Reise mit einem Berg verbunden:

Als Gott Adam und Eva aus dem Paradies verstieß, sei dies der Ort gewesen, an dem Adam das erste mal die Erde betrat, so sagen es die Muslime.

Wahrzeichen dafür ist ein 1,8 Meter großer Stein auf der Spitze des Berges, den sie als Fußabdruck Adams verehren und der heute in einem kleinen Tempel mit Tüchern verhüllt, bewahrt wird.  Sri Pada nennen die Buddhisten den Berg – heiliger Fuß übersetzt – denn für sie ist es ein Fußabdruck Buddhas. Die Hindus, zweitgrößte Religionsgemeinschaft Sri Lankas, sehen darin den tanzenden Abdruck von Gott Shiva. Und auch die Christen haben ihre Geschichte dazu. Für sie stammt der Abdruck vom Apostel Thomas, der ihre Religion nach Südindien brachte.

Ein heiliger Ort für vier Religionen, zu dem ihre Anhänger gemeinsam friedlich pilgern. Sie haben sich längst auch unter Touristen gemischt, die die Magie dieses Ortes erleben wollen.

5200 Stufen und 1000 Höhenmeter

Und so war es Ende Februar auch für mich endlich soweit. Ich machte mich auf den Weg: 5200 Stufen und 1000 Höhenmeter waren auf sieben Kilometern zu überwinden. Meine Sorge war es nicht, dies konditionell nicht zu schaffen. Ich konnte mein eigenes Tempo wählen und hatte genügend Zeit eingeplant, um pünktlich zum Sonnenaufgang den Gipfel zu erreichen. Angst kam in mir auf, wenn ich an den Abstieg dachte. Seit meiner Kindheit verfolgt mich diese undefinierbare Panik. Doch der Wille war stärker. Noch beim Einschlafen am Abend zuvor stellte ich mir vor, mit welchem Glücksgefühl ich am nächsten Tag nicht nur auf dem Gipfel stehe, sondern auch mit welchem Stolz ich nach dem Abstieg den Berg mit ganz anderen Augen sehen werde. Mit diesen Gedanken schlief ich ein.

Drei Uhr morgens war es, als ich das Makara -Tor durchschritt, dem Eingangsportal zum Adams Peak. Neben der Friedens-Pagode, die ich erst auf dem Rückweg richtig sah, stand ein Mönch, der unseren Aufstieg segnete Traditionell umschlang er mein Handgelenk mit einem weißen Bändchen, dass ich noch heute trage.

Am Anfang wechselten sich Treppen noch mit normalen Wegpassagen ab. Doch bald begann der Hauptanstieg, der nur noch aus Stufen besteht. Keine davon gleicht der anderen: mal flach, mal hoch, manche vom Regen ausgewaschen, einige stark beschädigt. Ich entwickelte meinen eigenen Rhythmus: 52 Stufen gehen, durchatmen, 52 Stufen gehen, wieder kurz pausieren …

Die Spitze des Berges

Der ganze Weg war beleuchtet. Buddhistische Fahnen schlängelten sich an ihm nach oben. Ununterbrochen kamen mir Pilger entgegen, die in der Nacht auf der Spitze des Berges gewesen sind. Ich sah ihnen die Strapazen an. Frauen, die vor Erschöpfung weinend am Arm ihres Mannes absteigen. Alte Männer, die sich auf ihren Stöcken abstützen. Einige saßen auf den Stufen, um kurz auszuruhen. Ich zwang mich, nicht an den Abstieg zu denken und war ganz im Hier und Jetzt.

Die Nacht war klar. Unzählige Sterne waren zu sehen und rahmten die Laterne auf der Bergspitze ein: dem Himmel so nah.

Ohne Gefühl für Zeit oder Strecke lief ich weiter und war fast überrascht, als ich schon am steilsten Stück des Weges ankam. Früher musste der Weg, der fast senkrecht zur Kegelspitze des Berges führt, am nackten Fels erklommen werden. Heute führen Stufen aus Beton den letzten Kilometer nach oben. Rechts und links sichern Geländer die Pilger ab. Wie alle Anderen, zog auch ich mich an dem Eisengeländer nach oben. Der Weg war so schmal, dass keiner mehr überholt werden konnte und so passten wir das Tempo einander an. Hin und wieder erklang von oben ein tiefer Ton.  Jeder, der auf der Gipfelplattform ankommt, darf die Glocke läuten und zwar so oft, wie er das Ziel erreicht hat.  Jeder Buddhist sollte mindestens einmal den Sri Pada bestiegen haben. Gleichzeitig verspricht die Legende, dass man mit jedem Aufstieg ein zusätzliches Lebensjahr geschenkt bekommt. So kommen manche Gläubige jedes Jahr hierher und lassen die Glocke tönen.

Wahrlich berührende Augenblicke

Der Himmel begann sich schon leicht rot zu färben, als der Pilgerstrom stockte. Wir standen kurz vor der Spitze, auf der sich ein kleines Kloster mit dem besagten Fußabdruck befindet. Keiner wurde mehr nach oben gelassen, die Plattform war mit Pilgern gefüllt. Kurz vor sechs Uhr waren alle Augen und Kameras gen Osten gerichtet, wo das Naturschauspiel begann. Blutrot färbte sich  der Himmel, die Landschaft war schemenhaft bereits zu erkennen, bis sich eine knappe halbe Stunde später die Sonne hinter den Bergen am Horizont langsam zeigte. Es war ein so berührender Augenblick, die Mönche begannen zu singen und ich war den Tränen nah.

Immer deutlicher zeigten sich die Farben dieser wunderschönen Landschaft. Gebirgszüge, Seen, in weiter Ferne das Meer, formten sich vor meinem Auge. Kein Foto kann wiedergeben, was die Natur uns schenkt.

Später kam auch ich auf der Plattform an und läutete mit ganzer Kraft die Glocke.

So wurde es Zeit für den Abstieg. Die Sonne hatte schon deutlich an Kraft gewonnen, Ich reihte mich in die Schlange der Menschen ein, die langsam die steilen Stufen hinabklettern. Mit hoher Konzentration und gleichzeitig tiefem Vertrauen, das alles gut werden wird, stieg ich ab. Zwischendrin wurden meine Beine durch die hohe Anstrengung puddingweich und die Waden bretthart.

Dann war es geschafft: voller Stolz und Dankbarkeit schaute ich nun wieder zum Gipfel hinauf – ich kann alles schaffen, wenn ich es wirklich will…