Die Geschichte von der „grünen Meeresschildkröte 1) 2)“ verwendet John Strelecky gerne in seinen Vorträgen und in seinen Büchern. Ich wurde an diese Geschichte erneut erinnert, als ich mich mit der Tatsache, dass „Nicht-Tun“ etwas anderes ist als „Nichts-Tun“, beschäftigte.
„Im Kern besagte die Geschichte, dass wir unsere Zeit und Energie mit Dingen vergeuden, die uns nicht so wichtig sind – wenn wir nicht aufpassen. Eröffnen sich dann Chancen, die wir wirklich gerne ergreifen würden, haben wir keine Zeit oder Energie dafür.
Wenn wir uns nicht vorsehen, stehen wir am Ende mit einer Ansammlung von Lebenserfahrungen da, die keineswegs dem Leben entsprechen, das wir eigentlich gerne führen wollten. Casey wurde das deutlich vor Augen geführt als sie beobachtete, auf welche Art und Weise eine grüne Meeresschildkröte auf ihre Umgebung reagiert.“ 1)
„Nicht-Tun“ heißt, die natürlichen Gegebenheiten in angemessener, das heißt optimaler Weise nutzen. Wenn wir auf diese Weise „Nicht-Tun“, dann erfahren wir das Gefühl des „Flows“.
Bei Tieren im Wasser oder in der Luft ist dieses Verhalten von entscheidender Bedeutung für ihre Geschwindigkeit. Wasser bietet Widerstand, und dieser Widerstand wächst, je höher die Geschwindigkeit wird mit der wir auf das Wasser treffen oder aber durch das Wasser gleiten.
Delfine schaffen es mit wenigen Flossenschlägen Geschwindigkeiten von über 60 km/Std. zu erreichen. Das entspricht einer Geschwindigkeit, die wir erreichen würden, wenn wir aus 14 m Höhe ins Wasser springen würden. So sehr das für den einen oder anderen Springer aus mehr oder weniger Höhe ziemlich schmerzhaft sein kann, so scheint das die Delfine in keiner Weise zu beeinträchtigen. Sie spielen förmlich mit der Geschwindigkeit, ihren Bewegungen und dem Wasser.
Selbst der riesige Blauwal mit mehr als 100.000 kg bewegt sich mit mehr als 30 km/Std. mit wenigen, langsamen und eleganten Schlägen der Schwanzflosse durchs Wasser. Die „grüne Meeresschildkröte“ kämpft nicht gegen die Wellen und den Sog, sie passt sich an und nutzt die Bewegung des Wassers.
Wenn wir uns in einem bestimmten Rhythmus durch die Wellen bewegen und „unser Ding machen“, dann kämpfen wir uns durch die Wellen. Für einen Außenstehenden wird es sehr schnell offensichtlich, dass wir kopflos agieren, dass wir zwar aktiv sind aber blind und uns so schnell erschöpfen. Das ist Aktionismus, oder wie es Helmut Rennschuh3) nennt „blindes Tun“. Wenn wir uns treiben lassen, dann ist das nach Rennschuh „Nichts-Tun“, und wenn wir die Strömung nutzen, also nicht kämpfen sondern angepasst reagieren wie die „grüne Meeresschildkröte“, dann hat dies die Qualität von „Nicht-Tun“. Wo in unserem Alltag sind wir passiv, wo agieren wir blind und wo agieren wir angemessen und angepasst in der Qualität des „Nicht-Tuns“?
Wenn wir mit angezogener Handbremse fahren oder in einem zu hohen Gang, dann wird uns sehr schnell bewusst, dass diese Fahrweise nicht effektiv ist. Im Alltag passiert uns genau dies allzu oft, wenn wir mit zu viel Anstrengung oder eben einem unangepassten Verhalten, den falschen Verhaltensmustern, auf Alltagssituationen reagieren. Unser Körper signalisiert uns dies durch “Verspannung“, „Krampf“ und „Erschöpfung“.
Ich wünsche Euch an diesem Wochenende, dem letzten Wochenende vor Beginn der Adventszeit, viele Momente in denen Ihr „Nicht-Tun“ erleben, erfahren und genießen könnt.
Mehr dazu auch in meinem online webinar „Die Big Five for Life im Alltag!“ am Mittwoch, den 29.11. um 19:00 Uhr in der „online university ou24“ , Anmeldung hier.
John Strelecky, 1) „Das Café am Rande der Welt“, dtv, Kapitel 6, oder 2) „Wiedersehen im Café am Rande der Welt“, dtv, Kapital 39 oder als Hörbuch, gelesen von Tilo Maria Pfefferkorn, Track 37 hier geht es zum Shop
3) Helmut Rennschuh, „Das Richtige geschieht von ganz allein“, J. Kamphausen, S. 22ff.
Tilo, auf den ersten Blick ist der Unterschied ja minimal, da es nur ein Buchstabe ist. Erschwerend kommt hinzu, dass die Nicht-Norddeutschen so manches Mal schludrig sprechen und der kleine, aber feine Unterschied untergeht.
Ich habe den wesentlichen Unterschied aber gerade zu Beginn dieser Woche in zwei Sitzungen von kommunalen Entscheidungsgremien hautnah erlebt.
Die eine Fraktion wollte von A nach B schwimmen, die andere wollte von C nach D schwimmen. Beide wollten, wie so oft, durch die Mitte. Die Wellen schlugen immer höher, man erregte sich immer mehr, warf sich gegenseitig “Gemeinheiten” und “Allgemeinplätze” an den Kopf. Alle waren auf alle sauer. Der einen, wie der anderen Fraktion fiel aber auf, dass ich mich an der hitzigen Diskussion nicht beteiligte.
Gestern kam dann ein Vertreter der anderen Fraktion unerwartet zu mir nach Hause. Zu Anfang war es ein höfliches Gespräch über “Gott und die Welt”. Man merkte aber schnell, dass es ihm eigentlich um etwas anderes ging.
Ihn hatte verunsichert, dass ich in den zwei Sitzungen nichts gesagt hatte. So kannte er mich nicht.
Als mein Schüler hat er sechs Jahre lang wöchentlich um die zwölf Stunden Unterricht in verschiedenen Fächern bei mir gehabt. Es wurde dann ein sehr engagiert geführtes Gespräch im Sinne von Nicht-Tun oder Nichts-Tun. Meinem Gesprächspartner wurde dann klar, dass wir eigentlich jede Menge Zeit vergeudet hatten, zumal jeder über das grundlegende Problem der Meinungsverschiedenheit, der unterschiedlichen Wege sprach, aber es eigentlich nur darum ging, die fälschlicherweise verwendete Kostenstelle durch eine korrekte zu ersetzen. Dies wurde mir auch erst im Laufe der beiden hitzig geführten Debatten klar.
Das grundlegende Problem ist zwar immer noch nicht gelöst, aber es wurde klar, dass wir unsere Zeit und Energie mit Dingen vergeudet haben, die eigentlich unnötig sind.
In diesem Sinne, lasst euch Zeit, denkt nach, setzt Zeit und Energie sinnvoll ein.