„In Indien schlägt das Herz der Welt.“ Diesen wunderbaren Satz hat mir Leonore geschenkt, die Reiseleiterin, die mich ein Stück auf meiner Reise durch das Land der Vielfältigkeit begleitet hat. Fast hätte ich es versäumt, diesen Herzschlag zu spüren. Und dies nur, weil ich mich von den Berichten anderer habe leiten lassen.
Ich reise gern und weit und war schon oft in Asien unterwegs. Nur um ein Land habe ich immer einen großen Bogen gemacht – um Indien. Wenn ich an Indien dachte, hatte ich Bilder im Kopf, die mich daran hinderten, dort hin zu fahren. Bilder, die andere in meinen Kopf gepflanzt haben. Zum Beispiel Maike Winnemuth, eine Jornalistin, die ich über alle Maße schätze. In ihrem Buch „Das große Los“ schreibt sie über Indien, das sie schier zur Verzweiflung getrieben hat. Ich habe mit ihr gelitten, als sie ihre Wahrnehmungen schilderte – Bettler, die an ihr hängen, sobald sie das Hotel verläßt, Kranke und Alte auf den Gehwegen liegend, der Müll. So strich ich Indien von meiner Liste. Was ich dabei total ausgeblendet hatte, war, dass das IHRE Erfahrungen waren, und nicht meine. Ich habe einfach ungefiltert etwas übernommen, was überhaupt nicht zu mir gehört.
Kennst Du das auch: Andere erzählen Dir etwas und allein aus diesen Erzählungen bildest Du Dir eine Meinung, wie etwas sein wird. Wie oft beginnst du etwas erst gar nicht, weil Dich allein die Vorstellung dazu lähmt? Und wenn Du es dann doch wagst, kommt alles ganz anders und du fragst Dich, warum Du es nicht längst schon ausprobiert hast?
Der griechische Philosoph Epiktet erklärt dies so „Nicht die Dinge selbst, sondern nur unsere Vorstellungen über die Dinge machen uns glücklich oder unglücklich!“
Es ist die Angst vor dem Ungewissen, vor dem Verlassen der Komfortzone, die uns bremst. Ängste haben absolut ihre Existenzberechtigung. Angst tritt in Situationen auf, die wir als gefährlich, bedrohlich und unkontrollierbar empfinden. So ist sie eine lebensrettende natürliche Reaktion, die uns warnen und schützen will. Für mich bedeutet Mut, mich mit meiner Angst auf den Weg zu machen. Die Angst anzunehmen, wertzuschätzen, gut für mich zu sorgen und dann den ersten Schritt zu gehen.
So bin ich also nach Indien gereist – mit ganz viel Vorurteilen im Gepäck – doch ich bin erstmal losgegangen. Um jeden Tag mehr zu spüren, dass vieles, was ich an Gedanken mitgebracht hatte, einfach in meinem Kopf stattgefunden hat. Alle meine Erwartungen trafen nicht ein – fast alle. Und ganz oft wurde ich wirklich positiv überrascht. Weil es in Wahrheit viel mehr Facetten gibt, als die, die unseren Kopf besetzen.
Natürlich habe ich die Augen offengehalten, den Schmutz, die Bettler, das Chaos und den Lärm wahrgenommen. Doch ich habe vor allem die Schönheit des Landes gesehen, die Farben, die Lebendigkeit, die Vielfalt. Das alles hat mein Herz stark berührt und ich hätte das nie erlebt, wenn ich mich nicht auf den Weg gemacht hätte, Indien mit eigenen Augen zu sehen. Jetzt habe ich meine eigenen Bilder im Kopf – wohl wissend, dass es ausschließlich meine sind. Zum Beispiel, dass ich Kalkutta schön finde, während andere vielleicht eine chaotische Stadt wahrnehmen oder dass mich Varanasi, die älteste Stadt und wohl auch heiligste Stadt Indiens, beeindruckt hat, während andere vielleicht ein sehr zwiegespaltenes Gefühl haben, wenn sie die öffentlichen Leichenverbrennungen sehen.
Was ich gelernt habe ist, dass es gut ist, sich zu informieren. Auch heute lese ich noch sehr viel über Indien. Doch dass es noch besser ist, wenn ich mir über das, was mich bewegt, selbst ein Bild mache und dass ich den anderen ihre Bilder lasse.
Mein Impuls heute an Dich ist: Eigene Erfahrungen kann Dir keiner ersetzen. Wage das Abenteuer, nach dem Deine Seele ruft. Raus aus der Komfortzone bedeutet nicht zwingend, dass Du tatsächlich Deinen Wohlfühlbereich verlässt. Lass Dich vom Leben überraschen und hab Vertrauen in Dich und Deine eigene Urteilsfähigkeit. Schreibe das Buch Deines Lebens selbst. Das Leben ist viel zu kurz, um Träume nicht zu leben. Und am besten beginnst Du JETZT.
Soooo schön und die Wahrheit…..ich wollte auch nie nach Indien und dann bin ich mit einer fremden Frau gereist im Süden und nach Bombay ….ich war soooo erfreut das das alles sooooo schön war und alle so freundlich….und von Bombay war ich soooo überrascht und wurde eines besseren belehrt…..so wie du …. Dankeschön für diese schönen Zeilen
Liebe Angela, schön, dass ich dich noch einmal mit nach Indien entführen konnte. Wenn du noch etwas mehr eintauchen möchtest, findest du hier einige Berichte. Fortsetzungen folgen 🙂 https://yvonnes-reiseblog.de/es-ist-mal-wieder-zeit-fuer-ein-abenteuer-indien/
Liebe Yvonne,
Deine Reise habe ich auf Deinem Blog nachverfolgt, und auch in Deinem Podcast. In mir ist eine große Sehnsucht, wenn ich Deine Reisen betrachte: große, weite Reisen sind noch ein dickes “TO DO” auf meinem Vision Board des Lebens. Als ich jünger war, z.B. als Studentin, war mein Mindset sehr begrenzt, mein Geldbeutel sowieso – ich war stark eingebunden, zu arbeiten und zu studieren, Reisen war etwas für “irgendwann”. Als ich älter wurde kam der Beruf “dazwischen”, dann die Kinder. Ein Großteil meines Lebens und bis heute war “kämpfen” im Vordergrund gestanden. Darum bekomme ich Fernweh, wenn ich von Eindrücken und Bildern anderer Leute lese – und doch bin ich noch immer stark eingebunden in einen Alltag, der mich immer fordert und auch manchmal überfordert. Es bleibt die Sehnsucht: Auf der Chinesischen Mauer ein Stück Weges gehen. Eine Wüste besuchen und den Sternenhimmel über mir genießen. Die Niagara-Fälle sehen und die unbändige Kraft des Wassers, seine Frische in mich einsaugen. Die gute Nachricht ist: ich habe ja noch Zeit, bin “erst” 52! Die schlechte Nachricht: Diese Erlebnisse und Reisen werden sich nicht von alleine “ergeben” – ich darf aktiv etwas dafür tun. Es ist ausdrücklich nicht die Angst, die mich davon abhält. Eher ein alter Glaubenssatz: , so viel Geld für mich ausgeben, meinen Urlaub alleine planen, unabhängig entscheiden? Es gibt da meinen Mann, die Kinder – habe ich überhaupt “eigenes Geld”? In diesem Sinne: für mich geht es nicht um die zu verlassende Komfortzone, sondern eher um den eventuell nur gefühlten “finanziellen Engpass” und die Selbsterlaubnis.
Liebe Dimitra,
lieben Dank für deine offenen Zeilen. Ja dieses Thema mit der Selbsterlaubnis … Vielleicht bedeutet für dich, dir die Selbsterlaubnis zu geben auch ein Verlassen der Komfortzone? Weil mit der Erlaubnis ja plötzlich etwas ganz Neues möglich wäre … Eine Idee könnte sein, es im Kleinen auszuprobieren. Vielleicht einfach mal nur ein Tag für dich allein an einem Ort Deiner Wahl gar nicht weit von zu Hause entfernt und auch mit kleinem Budget, sozusagen ein Miniurlaub. Und dabei kannst du in dich hinein spüren, wie fühlt es sich an und möchtest du mehr davon. Als mein Mann noch lebte, haben wir das auch ab und an gemacht, dass jeder für sich eine Auszeit genommen hat. Nicht, weil man den anderen nicht mehr um sich haben wollte, sondern auch, weil es schön war, wenn wir dann wieder zusammen waren, uns gegenseitig von den Erlebnissen zu erzählen.
Liebe Grüße Yvonne
Liebe Yvonne, was für ein schöner Impuls! Eine kleine mini-Auszeit nehmen, hinspüren und meiner Seele zuhören, was ich/sie wirklich möchte. Ja, das fühlt sich gut an, das ist ein “nächster kleinster Schritt” in die richtige Richtung, das nehme ich gerne auf! Die Dinge/Orte mit eigenen Augen sehen – ja, das will ich! Herzlichen Dank für Dein Wirken und Deine Inspiration 🙂