Die kleine Weihnachtsgeschichte von John Strelecky

Der alte Mann blickte durch das Fenster des Cafés. Er konnte rote Sitznischen mit Tischen erkennen; dahinter erstreckte sich fast über die gesamte Länge des Raums eine lange silberne Theke mit Barhockern davor. Die Theke war weihnachtlich geschmückt: grüne Girlanden und rote Schleifen, silberne Glocken und kleine Weihnachtsfiguren. Ein Stück weiter hinten im Café blinkten die Lichter an einem Weihnachtsbaum.

Das Licht in dem Kaffee war gedämpft, so als würde es bald schließen. Allerdings befand sich an der Tür ein Schild mit der Aufschrift „geöffnet“, und er konnte Kaffeetassen und eine dampfende Kaffeekanne sehen, die auf einer Anrichte hinter dem Tresen standen.

Er zog die Tür auf und ging hinein. Ein Schwall warmer Luft hüllte ihn ein. Es war eine willkommene Abwechslung zu der frostigen Kälte draußen. Als er sich umsah und feststellte, dass keine anderen Gäste da waren, wollte er beinahe wieder gehen.

„Wie gut kann es schon sein, wenn sonst niemand hier ist?“, dachte er bei sich.

Aber er nahm den feinen Kaffeeduft wahr. Außerdem war er müde, ihm war kalt und in diesem Moment wollte er sich eigentlich nur hinsetzen, sich

aufwärmen und eine Weile allein sein.

„Hallo Max“, sagte eine Stimme.

Er drehte sich abrupt um. Er hatte sich die Kaffeekanne angesehen und war überrascht plötzlich eine Stimme zu hören. Dabei ließ er die Zeitung und den Schlüsselbund fallen, die er in der Hand gehalten hatte. Er bückte sich, um seine Sachen aufzuheben, und als er sich wieder aufrichtete, betrachtete er die Person, die seinen Namen gesagt hatte. Es war eine Frau. Aufgrund ihrer Kleidung nahm er an, dass sie an diesem Ort arbeitete.

„Woher kennen Sie meinen Namen?“, fragte er mit einem leicht misstrauischen Unterton.

Lächelnd deutete die Frau auf die Schlüssel in seiner Hand. „Er steht auf Ihrem Schlüsselanhänger“, antwortete sie.

Er warf einen Blick auf den Schlüsselbund in seiner rechten Hand. Es stimmte. Ein kleiner, rechteckiger goldener Anhänger mit der Aufschrift „Max“ baumelte daran. Er hatte ihn vor langer Zeit auf einem Flohmarkt erworben, und seitdem hing er an seinem Schlüsselbund.

Max verstand nicht, wie es der Bedienung gelungen war, ihn zu sehen, da die Zeitung ihn eigentlich verdeckt hatte. Das irritierte ihn irgendwie.

„Haben Sie geöffnet?“, fragte er unwirsch.

Die Frau nickte langsam und lächelte erneut. Ich werde in einer Weile schließen. Aber Sie können gerne Platz nehmen.

Max nickte und rutschte in die nächste Sitznische. Irgendetwas an der Bedienung verunsicherte ihn. Aber es tat ihm gut, nach der Kälte draußen seine Zehen wieder zu spüren. Und er wollte gerne einen Kaffee trinken.

„Kaffee?“, fragte sie und griff nach der Kanne.

Er nickte. „Gern. Schwarz. Kein Zucker. Keine Milch. Einfach schwarz.“

Sie nahm eine Tasse und kam zu seinem Tisch.

„Warum sind Sie hier?“, fragte er, als sie die Tasse abstellte und den Kaffee einschenkte.

Angesichts dieser Frage schmunzelte sie.

„Wie meinen Sie das?“

„Ich bin schon sehr oft an diesem Gebäude vorbei gegangen und habe dieses Café noch nie zuvor gesehen. Hier drinnen sieht alles nagelneu aus. Außerdem ist heute Weihnachten. Haben Sie keinen Ort, an dem sie sein sollten?“

Sie nickte. „Doch, es gibt einen Ort, an dem ich sein sollte.“ Dann sah sie ihn mit einem schelmischen Lächeln an und deutete auf die Küche. „Ich sollte dort hinten sein, um aufzuräumen. Aber ich habe gesehen, wie Sie zum Fenster hereinschauten und da dachte ich mir, da es so kalt ist, möchten Sie vielleicht schnell eine Tasse Kaffee, bevor ich hier alles fertig mache und nach Hause aufbrechen.“

Max wusste nicht, was er sagen sollte. Er war es nicht gewohnt, dass jemand nett zu ihm war. „Na dann, äh, danke“, erwiderte er schließlich.

Die Frau streckte ihm ihre Hand entgegen. „Ich heiße Casey.“

Er fühlte sich unwohl. Dieser Ort war seltsam. Aber er wollte nicht unhöflich sein. „Max“, antwortete er und schüttelte ihr rasch die Hand. Dann fiel ihm ein, dass sie ihn bereits mit seinem Namen angesprochen hatte. „Aber das wissen Sie ja bereits.“

Sein Unbehagen nahm mit jeder Sekunde zu. Er wollte nur an einem warmen Platz sitzen, sich aufwärmen und einen Kaffee trinken. Er wollte sich nicht mit einer Bedienung unterhalten. Und schon gar nicht mit einer, die ein solches Unbehagen bei ihm auslöste.

Die Frau lächelte ihn an. „Ich wette, Sie möchten nur in aller Ruhe hier sitzen und ein paar Minuten entspannen, anstatt den Abend damit zu verbringen, sich mit einer Bedienung zu unterhalten. Und ich muss hinten noch aufräumen. Also lasse ich Sie jetzt eine Weile allein.“ Sie stellte die Kaffeekanne auf den Tisch. „Die bleibt hier, Sie können sich gerne selbst bedienen, wenn Sie noch eine Tasse möchten.“ Sie griff nach ein paar Schlittenglocken, die auf der Theke lagen, und legte sie ebenfalls auf den Tisch. „Sie sind nicht nur dekorativ, sondern auch ziemlich laut“, sagte sie. „Falls sie irgendetwas brauchen, läuten Sie, dann komme ich zu Ihnen. Okay?“

Er antwortete mit einem Nicken und fragte sich insgeheim, wie sie seine Gedanken erahnt haben konnte. Dann trank er einen Schluck von seinem Kaffee und nickte erneut, aber sie war bereits unterwegs zur Küche.

Max schüttelte leicht den Kopf und versuchte das seltsame Gefühl loszuwerden. Er nahm noch einen Schluck aus seiner Tasse und sah sich um. Das Café war leer. Die einzige Bewegung stammte von den blinkenden Lichtern an dem Weihnachtsbaum. Seine Zeitung lag auf dem Tisch, wo er sie beim Hinsetzen fallen gelassen hatte. Nun griff er danach.

„Brumm, brumm“, sagte eine junge Stimme.

„Quietsch. Setzen Sie zurück und laden Sie hier ab, Sir. Sie haben freie Bahn.“

Max blickte nach hinten. Er saß in der dritten Sitznische, mit dem Rücken zur Tür. Bei seiner Ankunft war niemand in dem Café gewesen. Und als er sich einen Moment zuvor umgesehen hatte, war da auch niemand gewesen. Aber als er sich nun umdrehte, sah er an einem Tisch hinter sich einen kleinen Jungen mit einem Kipplastwagen aus Holz spielen. Er hatte blaue Türen, gelbe Seiten und Räder, die leuchtend rot angemalt waren. Max‘ Nackenhaare stellen sich etwas auf, als er das Kind erblickte. Er sah sich rasch um, aber niemand sonst war da. Nur der Junge.

„Alles klar mit ihrer Lieferung, Sir. Das macht bitte 35 Cent“, sagte der Junge und schob den Laster auf dem Tisch entlang. „In Ordnung, Sie können losfahren“, fuhr er fort.

Als er den Laster bis zum Ende des Tisches geschoben hatte, blickte der Junge auf und sah Max geradewegs an. „Hallo.“

Max sah sich noch einmal um, aber nach wie vor war sonst niemand da. Der kleine Junge hatte ihn angesprochen.

Der Junge drehte den kleinen Laster um. „Das ist mein Laster. Sehen Sie, ich habe meinen Namen draufgeschrieben.“ Er deutete auf große Blockbuchstaben, die ein violetter Stift hinterlassen hatte. „SAM. Sam. So heiße ich.“

Sam sah zu Max auf. „Wie heißen Sie?“ Max betrachtete ihn und den Laster.

„Sie wissen schon, wie nennen sie die Leute?“, fragte Sam.

„Ich heiße Max“, antwortete Max zögernd. „Wo sind deine Eltern?“, fragte er.

„Ich bin fünf“, antwortete Sam, ohne Max’ Frage zu beantworten. „Das ist ein ziemlich tolles Alter. Mein Geburtstag ist gleich nach Weihnachten. Das ist dann Nummer sechs.“

Sam hielt seinen Laster in die Höhe. „Das ist eins meiner Geschenke. Meine Mutter und mein Vater haben es mir schon vorher gegeben, damit ich etwas habe, worüber ich mich freuen kann, bis ich sie wieder sehe.“ Er sah Max an. „Wie alt sind Sie?“

„Ich bin … ich bin 71.“

Sam stand mit offenem Mund da. „Wow, das ist wirklich alt.“

Max nickte. „Ja, das stimmt.“

Max’ Nacken und Rücken schmerzten, da er so verdreht dasaß, während er mit Sam sprach.

„Möchten Sie meinen Laster sehen?“, fragte Sam. „Warten Sie, ich bringe ihn rüber.“ Er verließ seinen Platz, ging zu Max und rutschte auf den Sitz ihm gegenüber. „Es ist ein Kipplastwagen“, erklärte Sam und stellte den Laster auf den Tisch.

Max sah ihn an. „Was machst du eigentlich hier, Junge? Es ist Weihnachten. Wo sind deine Eltern?“

„Sie warten darauf, dass ich zurückkomme“, antwortete Sam sachlich. Er nahm den Laster in die Hand. „Haben Sie auch einen Lastwagen? Wir könnten zusammen damit spielen.“

Max schüttelte den Kopf. „Ich hatte noch nie einen Laster.“

Sam riss die Augen weit auf. „Wirklich? Wieso nicht?“

Max macht eine Pause. Seine Gedanken sprangen zu einem kleinen, kargen Zimmer, in dem dicht an dicht sieben Kinderbetten aus Metall standen. Der Raum war dunkel, von der Decke hing nur eine kleine Lampe herab. Es waren über 60 Jahre vergangen, seit Max zuletzt in diesem Zimmer gewesen war, aber im Geiste konnte er immer noch jedes Detail vor sich sehen. Die einzigen Klamotten, die am Ende jedes Bettes auf einem Metallkleiderbügel hingen. Die abgetragenen Schuhe darunter. Die grauen Betttücher, die so dünn waren, dass sie bei winterlicher Kälte nicht wärmten. Es gab kein Spielzeug. Keine Farben. Nur Einsamkeit und Elend.

„Ich hatte einfach keinen“, antwortete Max verdrossen. „Ich hatte als Kind nicht viel.“

Sam nickte. „Dann ist es wohl gut, dass Sie jetzt erwachsen sind. Nun können Sie alles haben, was Sie wollen.“ Er grinste. „Wissen Sie, was meine Freundin Nana mir einmal erzählt hat?“

Max schüttelte den Kopf.

„Nana ist meine Nachbarin. Sie nimmt mich immer mit in den Park. Sie ist wirklich alt, so wie Sie. Einmal bin ich vom Klettergerüst gefallen, und das hat sehr wehgetan. Ich habe ihr gesagt, dass ich nie mehr dort hinaufklettern werde. Nach dem Sturz, auf keinen Fall!“

Sam begann, sein Auto auf dem Tisch entlangzuschieben, und machte dabei brummende Geräusche.

„Was hat sie zu dir gesagt?“, fragte Max.

Sam hielt den Laster an und sah zu Max. „Sie hat gesagt, wenn ich meine Zukunft von meiner Vergangenheit bestimmen lasse, sollte ich mir dafür lieber einen besseren Teil meiner Vergangenheit aussuchen.“ Er grinste, hielt seine Hände nach oben und zuckte mit den Achseln. „Ich hatte keine Ahnung, was das bedeuten sollte. Also erklärte sie mir, dass ich mich einfach an einen Tag erinnern sollte, an dem ich auf dem Klettergerüst herumgeturnt bin, ohne herunterzufallen, anstatt an das eine Mal, als ich hinuntergepurzelt bin.“

Max nickte, und die Erinnerung an den kleinen Raum kehrte wieder zurück. „Und was machst du, wenn es in deiner Vergangenheit keinen besseren Teil gibt?“

„Machen Sie Witze?“, erwiderte Sam. „Ich bin tausend Mal auf dem Klettergerüst gewesen, ohne hinunterzufallen. Außerdem meinte Nana, selbst wenn ich nie raufgeklettert wäre, könnte ich etwas finden, wofür ich dankbar sein kann. Zum Beispiel dafür, dass ich zum Gerüst hingehen kann. Und sie hat recht, denn eins der Kinder im Park hat nur ein Bein. Für diesen Jungen ist es wirklich schwierig, so etwas zu machen.“

Max schwieg einen Moment lang. „Nana schein sehr nett zu sein.“

Sam nickte. „Ja, sie ist wirklich toll.“ Er schnappte sich erneut seinen Laster und gab weitere Brummgeräusche von sich, während er ihn am Rand des Tisches entlangschob.

„Wissen Sie, was Nana mir noch erzählt hat?“, fragte er.

Max seufzte. Sein Wunsch, in Ruhe eine Tasse Kaffee zu trinken würde sich definitiv nicht erfüllen.

„Wissen Sie, was Nana mir noch erzählt hat?“, bohrte Sam nach.

„Was denn?“

„Sie hat gesagt, dass jeder etwas zu verschenken hat. Manchmal sind es Dinge. Aber manchmal ist ein Lächeln oder ein Kompilment noch besser.“

„Ein Kompilment?“

„Ja, wenn man jemandem etwas Nettes sagt. Nana meint, man kann das Leben eines Menschen mit einem Kompliment verändern.“

„Du meinst ein Kompliment.“

Sam nickte. „Äh, ja. Hab ich doch gesagt, ein Kompilment.“

Max sah ihn an. „Ich hätte lieber einen Laster.“

„Ich auch“, antwortete Sam. „Aber ich denke, wenn man keinen zum Verschenken hat, kann man immer noch ein Kompilment machen.“

Sam ließ seinen Blick durch das Café schweifen und sah dann wieder zu Max. „Bleiben Sie an Weihnachten hier?“

Max schüttelte den Kopf. „Nein.“

„Verbringen Sie Weihnachten mit Ihrer Familie?“

„Ich habe keine Familie.“

„Von wem bekommen Sie dann Geschenke?“

Aus irgendeinem Grund verärgerte die Frage Max. Seine Stimme klang wütend, als er antwortete.

„Ich bekomme von niemandem Geschenke. Niemand hat mir je etwas geschenkt. In 71 Jahren nicht. Deshalb kannst du froh sein, dass du Geschenke erhältst. Hör mal, Junge, ich bin nur hier, um meinen Kaffee zu trinken und meine Zeitung zu lesen. Anschließend werde ich nach Hause gehen. Ich habe keine Familie, ich habe keine Geschenke, und Weihnachten ist mir egal. Für mich ist es nichts als ein weiterer Tag der Woche, alles klar?“

Sam schwieg, seine Augen wurden feucht, und einen Moment später blickte er zu Max auf. „Sie haben noch nie etwas geschenkt bekommen?“, fragte er.

Angestrengt seufzte Max tief. „Hörmal, Junge. Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht anblaffen. Deine Eltern machen sich bestimmt Sorgen um dich. Bleib kurz sitzen, ich frage die Frau, die hier arbeitet, ob sie dir helfen kann.“

Als Max zum Rand der Sitzbank rutschte, veränderte sich Sams Verhalten plötzlich. Ein seltsamer Ausdruck huschte über sein Gesicht. „Ich muss jetzt gehen. Es ist an der Zeit für mich zu gehen“, sagte er leise.

„Genau. Das habe ich eben gemeint“, antwortete Max. Er stand auf und wandte sich der Küche zu. Dabei blieben die Schlittenglocken, die Casey auf den Tisch gelegt hatte, an seinem Ärmel hängen und fielen mit einem lauten Klimpern zu Boden. Als er sich hinunterbeugte, um sie aufzuheben, hörte er, wie sich die Küchentür öffnete, und als er auf blickte, sah er Casey auf sich zukommen.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte sie.

„Ich brauche ihre Hilfe. Dieses Kind muss nach Hause, aber ich weiß nicht, wie ich seine Eltern erreichen kann.“

Casey sah ihn fragend an. „Welches Kind?“

Max sah sie ungeduldig an und drehte sich zur Sitznische um. „Na dieses Kind hier …“

Die Sitznische war leer. Max sah unter dem Tisch nach. Dann schaute er in den angrenzenden Nischen nach. Anschließend suchte er jede einzelne ab und sogar in die Toilettenräume warf er einen Blick. Aber da war niemand.

„Sein Name ist Sam“, erklärte er, als er zu Casey zurückkam. „Ein kleiner Junge, er hat mir gesagt, dass er fünf Jahre alt ist.“ Max schaute sich noch einmal um. „Gerade war er noch hier.“

Casey sah zur Zeitung von Max hinunter, die immer noch ungelesen auf dem Tisch lag.

Max folgte ihrem Blick. „Was ist?“, fragte er. Casey deutete mit dem Kopf zur Zeitung.

Max nahm sie in die Hand, faltete sie auf und betrachtete die Titelseite, auf der das Bild eines kleinen Jungen zu sehen war. Die Bildunterschrift lautete: Sam Candler, 5 Jahre alt.

„Das ist er“, rief Max und sah Casey an. „Das ist der Junge.“ Rasch überflog er die Geschichte.

Der Zustand des fünfjährigen Sam Chandler, der bei dem Versuch, seine betagte Nachbarin zu retten, ins Eis eingebrochen war, hat sich verschlechtert. Der Junge konnte zwar aus dem eisigen Wasser geborgen werden, liegt aber seitdem im Koma. Sein Zustand ist kritisch. Aufgrund seiner schweren Unterkühlung befürchten die Ärzte, dass er die Nacht möglicherweise nicht überleben wird. Menschen in der ganzen Stadt verfolgen sein Schicksal, bringen der Familie ihre Anteilnahme und Unterstützung zum Ausdruck und schließen sie in ihre Gebete mit ein.

Max war bestürzt. „Wie ist das möglich? Er war gerade noch hier. Er hatte einen Laster dabei. Es war ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk seiner Eltern, damit er sich über etwas freuen könne, bis er …“

Max hielt inne.

„Bis er was?“, fragte Casey leise.

„Bis er sie wiedersehen würde“, antwortete Max langsam. Er griff nach dem Tisch und hielt sich daran fest. Ihm war schwindelig.

„Ist alles in Ordnung mit Ihnen, Max?“

Er schüttelte den Kopf. „Er hat noch etwas gesagt. Ich wollte sie gerade holen, als er plötzlich wie verwandelt war. Sein Gesichtsausdruck hat sich verändert, und er hat gesagt, dass er nun gehen müsse. Dass es… dass es für ihn an der Zeit sei zu gehen.“

„Max spürte einen immer stärker werden den Schmerz in seinem Inneren. Er begann in seiner Brust und bereitete sich so schnell und so tief aus, als wolle er ihn zerreißen. Er klammert er sich noch fester an den Tisch, und seine Augen fühlten sich mit Tränen. „Er ist noch so ein kleiner Junge“, sagte er leise. „Er ist noch so klein!“

Casey legte ihre Hand auf Max’ Schulter und schwieg eine ganze Weile. „Das tut mir leid“, sagte sie schließlich.

Max wandte sich ruckartig von ihr ab. Seine Bewegungen waren fahrig. Er griff in seine Hosentasche, nahm rasch etwas Geld heraus und legte es auf den Tisch. Dann ging er zur Tür.

Auf halbem Weg dorthin vernahm er Caseys Stimme.

„Gehört das hier Ihnen, Max?“

Er drehte sich um. Sie hielt etwas in der Hand. Es war ein kleines Geschenk, eingewickelt in rotgoldenes Weihnachtspapier.

„Nein“, sagte er ungehalten und wandte sich wieder der Tür zu.

„Ihr Name steht darauf.“

Max blieb stehen. Er drehte sich langsam um und richtete seinen Blick auf das Geschenk. Dann ging er zu Casey und nahm es aus ihrer ausgestreckten Hand. Tatsächlich stand sein Name auf einem schmalen Etikett, dass oben auf das Geschenk geklebt war. Langsam entfernte er das Geschenkpapier. Ein kleiner Kipplastwagen aus Holz kam zum Vorschein. Er hatte blaue Türen, gelbe Seiten und Räder, die leuchtend rot angemalt waren. Max drehte den Laster um. Auf der Unterseite war der Name SAM mit einem violetten Farbstift übermalt worden. Daneben stand mit demselben violetten Stift in kleinen Druckbuchstaben: „MAX“.

„Ich nehme an, er wollte das er Ihnen gehört“, sagt der Käse leise. „Es ist ein Weihnachtsgeschenk.“

Max schloss die Augen und drückte seine Finger fest um den Laster. Seine Schultern sanken nach vorne. Er rührt sich nicht. Er bekam keine Luft.

Plötzlich hörte man es draußen von allen Seiten hupen. Die Kirchenglocken begannen zu Leuten, Menschen jubeln auf der Straße vor dem Café. „Kommen Sie“, sagte Casey zu Max und ging zur Eingangstür.

„Was ist los?“, fragte sie eine junge Frau auf dem Bürgersteig.

„Es geht um den kleinen Jungen“, antwortete die Frau. „Den aus der Zeitung, der ins Eis eingebrochen ist. Er ist vor ein paar Minuten aus dem Koma erwacht. Sie haben es gerade im Radio gemeldet die Ärzte sagen, es sei ein Wunder. Ein absolutes Weihnachtswunder. Er ist aufgewacht, als wäre nichts passiert. Er hat den Ärzten erzählt, dass er noch etwas zu erledigen hatte und deshalb nicht früher aufwachen konnte. Die Ärzte können es nicht erklären. Es ist ein Wunder.“ Max stand nun neben Käse. Er hatte gehört, was die Frau gesagt hatte. „Ein Wunder“, murmelte er.

Casey sah ihn lächelnd an. „Ein Wunder“, sagte sie.

Max und klammert er den kleinen hölzernen Laster in seiner Hand. Er wusste nicht, was er tun sollte. Er war von einem Gefühl erfüllt, dass er noch nie zuvor empfunden hatte.

„Darf ich Sie um einen Gefallen bitten, Max?“, fragte Casey sanft.

Max sah sie an.

„Das Café ist morgen geschlossen, weil ein paar Freunde von mir und ich hier eine Weihnachtsfeier veranstalten. Würden Sie als mein Gast dazukommen?“

Max zögerte. Er wollte gern dabei sein, aber es fiel ihm schwer zuzusagen. „Ich fühle mich in der Gesellschaft von Fremden eigentlich nicht so wohl“, antwortete er schließlich.

Casey lächelte. „Sie werden diese Leute mögen. Das verspreche ich Ihnen. Der Mann, dem dieses Café gehört, kommt mit seiner kleinen Tochter. Und noch ein paar andere Freunde.“

Max zögerte erneut. „Okay“, sagte er schließlich. „Okay, ich werde kommen.“

Casey strahlte. „Morgen Abend um fünf Uhr.“

Max nickte. Er drehte sich um und begann sich zu entfernen, dann kam er zurück. „Wie heißt dieser Ort eigentlich?“, fragte er und deutete mit dem Kopf zum Kaffee.

„Es nennt sich ‚Das Café am Rande der Welt‘.“

Max sah Casey überrascht an, zuckte mit den Achseln und begann sich abzuwenden.

„Ach, Max?“

Er drehte sich um.

„Fröhliche Weihnachten.“

Max betrachtete kurz den Laster in seinen Händen, dann blickte er zum Kaffee und schließlich zu Casey.

„Fröhliche Weihnachten.“

John Strelecky

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